Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut …
Was Karl Valentin auf seine unnachahmliche Weise hier sagt, das kenne ich gut: Diese Situationen, in denen ich mir selbst im Weg stehe. Weil ich – salopp gesagt – einfach nicht die Eier in der Hose habe, das zu tun, was ich gerne möchte. Ich habe Angst belächelt zu werden, wenn ich zum Beispiel in Berlin mitten auf dem Alexanderplatz in einem gelben Jumpsuit für ein Fotoshooting posen soll. Oder wenn ich aufgefordert werde, einen Vortrag vor 100 Menschen zu halten. Meine Hände werden schwitzig und meine Atmung gleicht der eines Opfers im Würgegriff einer Anaconda.
Da ist sie, die Angst vor der Kritik. Die Angst davor, nicht zu gefallen, die Angst davor nicht dazuzugehören.
Meistens bekomme ich es dann schon hin (zum Beispiel das mit dem Shooting auf dem Alexanderplatz). Denn ich bin in den letzten Jahren viel selbstbewusster geworden. Ist mir doch egal, was die anderen denken … oft, nicht immer. Vielleicht kommt diese Einstellung mit der Lebenserfahrung oder mit der Erkenntnis, dass der Weg raus aus der Komfortzone ein lohnenswerter ist – ganz egal was andere dazu sagen. Außerdem habe ich nicht nur gelernt mit Kritik von außen umzugehen, sondern mit der Zeit konnte ich auch meinen eigenen, inneren Kritiker milder stimmen. Denn der ist oft viel gnadenloser, als das Umfeld.
Der Umgang mit Kritik
Trotzdem gibt es Situationen, da möchte ich nicht, dass jemand auch nur ansatzweise kommentiert, was ich tue. Da brauche ich mein sicheres Umfeld, mein persönliches Bällebad nur für mich allein. Zum Beispiel, wenn ich Fotos bearbeite, einen Text für den Blog schreibe oder auf andere Weise kreativ bin.
Ich empfinde diesen kreativen Prozess als etwas Intimes. Auf gewisse Weise kehre ich mein Inneres nach außen. Ich begebe mich auf eine Reise, von der ich selbst noch nicht so genau weiß, wo sie endet. Und auf diesem Weg bin ich unsicher und möchte nicht gestört werden, bis ich das Ziel erreicht habe. Dann können wir gerne über mein „Werk“ diskutieren. Aber eben erst dann. Bis dahin hängt an meiner Bürotüre das „Bitte nicht stören“ Schild und mein Mann weiß, er muss draußen bleiben.
Wie ich den Inneren Kritiker in Schach halte
Vor vielen Jahren hat mir ein Coach geraten, meinen Inneren Kritiker (und der ist in der Regel der schärfste von allen) zu begrüßen und sich bei ihm für die Kritik zu bedanken. ABER, und das ist entscheidend, er bekommt einen festen Termin im Kalender, um seine Kritik und seine Bedenken äußern zu dürfen.
Das klappt, denn bei diesem Termin habe ich alle meine Argumente bereit, bin emotional stabil und lasse mich nicht doof von der Seite anreden. Da hat der Innere Kritiker in der Regel wenig Chancen gegen mein Selbstbewusstsein. Und genau so soll es sein.
Alle dürfen zusehen und kommentieren
Um so bewundernswerter finde ich den Mut von Nicola Schmid, einer jungen Malerin aus Nizza. Für eine Woche hat sie ihr Atelier von der Côte d’Azur nach Starnberg verlegt. Bei „Fee am See“ lässt sie sich beim Malen eines Bildes ganz bewusst vom Publikum über die Schulter schauen. Jeder darf kommen und zusehen, jeder darf kommentieren, kritisieren und über ihr Werk diskutieren. Huijuijui! Wie gesagt, ich finde das ganz schön mutig.
Bei meinem Besuch in ihrem Pop-up Atelier habe sie dazu befragt, wie sie sich beim Malen vor Publikum fühlt und dabei einiges für mich gelernt.
„Man muss es aushalten können, wenn es mal nicht so läuft … „
… sagt Nicola, als ich sie frage, was für sie am schwierigsten bei diesem öffentlichen Kreativprozess ist. Das kann ich gut nachvollziehen. Wie gelingt ihr das? „Ich weiß, dass am Ende alles gut wird.“ Eben doch die Erfahrung und vor allem das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Dieses Selbstvertrauen spricht auch aus ihrer Antwort auf meine Frage, warum sie sich das überhaupt antut, so öffentlich zu malen und gegebenenfalls kritisiert zu werden: „Weil ich es kann.“ Ein Statement, das keinen Zweifel zulässt. Weder bei den Zuschauern noch bei ihr selbst. „Es macht mir Spaß und es ist etwas Besonderes.“ Und natürlich kam Nicola mit einem Plan in ihr Atelier auf Zeit. Und diesen setzt sie jetzt konsequent um.
Nicola, Du hast mich mit Deinem Selbstvertrauen überzeugt. Ich gehe mit dem Gefühl nach Hause, dass es wichtig ist, die eigenen Fähigkeiten nicht bei der ersten Kritik oder beim ersten Hindernis in Frage zu stellen. Besser ist es die Kritiker einfach reden zu lassen und auf sich selbst zu vertrauen. Egal, wie schwer das auch scheinen mag.
KEINE FALSCHE BESCHEIDENHEIT BITTE
Mehr noch. Manchmal ist es eine gute Idee, die Herausforderung geradezu zu suchen. Zu zeigen, was man kann. Ja, auch stolz auf sich zu sein. Falsche Bescheidenheit ist nichts, womit wir uns schmücken sollten. Sie ist ganz bestimmt kein trendiges Accessoire. Sondern lediglich der vergiftete Pfeil im Köcher des inneren Kritikers.
Wie gehst Du mit Kritik um? Gibt es überhaupt den richtigen Zeitpunkt für Kritik? Was war die beste Kritik, die Du je bekommen hast? Ich bin gespannt auf Deine Kommentare.
Herzlichst,
Deine Martina
Nicola Schmid und ihr Projekt
Nicola malte bei „Fee am See“ in Starnberg ein Bild von Caravaggio nach. Dazu hat sie zuhause in Nizza mit Modellen die Originalszene des Bildes nachgestellt und fotografiert. So wird ein Sujet aus dem 16. Jahrhundert in die Jetztzeit übersetzt.
Mehr über Nicola und ihre Bilder erfährst Du hier.
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Hallo Martina
mit konstruktiver Kritik kann ich gut leben – das mag ich sogar weil man ja manchmal “Betriebsblind” ist. Destruktive Kritik ignoriere ich – das habe ich im Lauf der Zeit gelernt. Es interessiert mich einfach nicht mehr, wenn jemand meint unqualifizierte Äußerungen von sich geben zu müssen. Früher habe ich mir viel zu viel Gedanken gemacht was andere dazu sagen – heute mache ich all das, was ich vertreten kann und was ich für mich richtig finde. Liebe Grüße Gabi
Liebe Gabi,
das ist doch eine gute Einstellung … lass sie reden und mach Dein Ding 🙂
Liebe Grüße
Martina