Portrait Sylvia Vandermeer & Frank Meierewert

Feb 16, 2020

Mut, Kreativität und
eine Portion
Gottvertrauen

Ein persönliches Porträt der bekannten Malerin Sylvia Vandermeer und ihrem Mann Frank Meierewert. Ich habe die beiden besucht, denn ich liebe es, mit spannenden Menschen zu sprechen. Herausgekommen ist dabei ein Einblick in das Leben dieses kreativen Powerpaares, das sich immer wieder neu erfunden hat.

Mut, Kreativität und
eine Portion
Gottvertrauen

Ein persönliches Porträt der bekannten Malerin Sylvia Vandermeer und ihrem Mann Frank Meierewert. Ich habe die beiden besucht, denn ich liebe es, mit spannenden Menschen zu sprechen. Herausgekommen ist dabei ein Einblick in das Leben dieses kreativen Powerpaares, das sich immer wieder neu erfunden hat.

Für Sylvia Vandermeer und ihren Mann Frank Meierewert scheint ein Leben alleine nicht auszureichen, um alle ihre Talente und Ideen unterzubringen. Heute lebt das Powerpaar auf Rügen von ihrer Kunst, aber das war nicht immer so. Ein Portrait zweier Menschen, die sich mit Mut, Kreativität und jeder Menge Gottvertrauen immer wieder neu erfinden und ihren eigenen gemeinsamen Weg gehen.

Wir sitzen an einem Sonntag in ihrem Wohnzimmer in Binz auf Rügen, wo ich die beiden auch kennengelernt habe und ich höre mit Stauen ihren Lebensgeschichten zu. So viel Energie, Schaffenskraft und Intellekt hängen in der Luft, ich könnte ewig bleiben und der Reise ihres Lebens lauschen …

Aufbruch nach der Wende

Diesen Januar jährte es sich zum 30 mal, dass sich Sylvia Vandermeer und Frank Meierewert aufmachten in ein neues, unbekanntes Leben. Mit zwei Rucksäcken und zwei Reisetaschen saßen sie damals in einem überfüllten Zug Richtung Passau, ohne genaue Vorstellungen, was sie dort erwarten würde. Im Rückblick ist klar, die Reise wird der Beginn für ein Leben voller Mut, Kreativität und jede Menge Gottvertrauen.

Nur knapp drei Monate zuvor war die DDR nach monatelangen Bürgerprotesten krachend und unter dem Jubel Tausender in sich zusammengebrochen. Über Nacht war alles anders. „Plötzlich war das, was bisher richtig war falsch. Und das, was bisher schlecht war gut.“ sagt Frank, für den der Zusammenbruch der DDR erst einmal bedeutete, nicht wie geplant studieren zu können. Für ihn kollabierte buchstäblich seine ganze Welt. Und Sylvia ergänzt „an meiner Universität wusste auch niemand, wie es in den nächsten Monaten weitergehen würde. Überall war Chaos und Unsicherheit.“ …

Das (Gefühls-)Chaos nach der Wende. Unvorstellbar, für jemand wie mich aus dem Westen. Vor mir sitzen zwei Menschen, die ihr Leben seither immer beherzt in die eigenen Hände genommen haben. Ihr Weg hat sie von Ost-Berlin über Passau nach Wien und jetzt auf die Insel Rügen geführt. Dieser Weg war nicht strategisch geplant und schon gar nicht vorgezeichnet. Aber er war ganz sicherlich sehr erfolgreich. Beide blicken sie auf wissenschaftliche Studiengänge zurück, tragen Doktortitel. Sylvia war Professorin für Wirtschaft an der Uni in Wien, Frank hat in Ethnologie promoviert und unter anderem eine erfolgreiche Galerie geleitet. Beneidenswert steile Karrieren könnte man meinen, verbunden mit viel Öffentlichkeit, viel Glanz  und viel Anerkennung. Für die meisten wäre hier das Lebensziel wahrscheinlich schon erfüllt. Nicht für Sylvia Vandermeer und Frank Meierewert.

Sylvia Vandermeer

Frank Meierewert

Ein besonderes Powerpaar

Ich weiß zwar nicht, ob sich die beiden selbst als Powerpaar bezeichnen würden, schließlich sagt man das ja auch von Michelle und Barack Obama – aber ein bisschen wirken sie schon so auf mich. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber ganz bestimmt auf den zweiten und garantiert, nachdem man ihnen eine Weile zugehört hat. Sylvia und Frank sind seit 30 Jahren ein Paar und seit 25 Jahren verheiratet. In diesen Jahren hat die Rolle des Ernährers mehrfach hin- und hergewechselt. Zuerst studiert Sylvia Wirtschaft in Passau, da kellnert Frank und macht später eine Lehre zum Reiseverkehrskaufmann. Dann in Wien, als Sylvia an der Universität Karriere macht und eine international gefragte Trainerin für Interkulturelles Management wird, studiert Frank Ethnologie und eröffnet später eine Galerie im besten Viertel, die auch erst einmal finanziert werden muss.

Wie treffen sie ihre Entscheidungen, wie stellen sie sicher, dass keiner bei all dem auf der Strecke bleibt? „Wir reden immer offen und schonungslos miteinander. Alles kommt auf den Tisch. Da kann es schon mal lauter werden. Einmal in Wien kam unser Nachbar – ein bekannter Soziologe – und hat uns dazu gratuliert, dass wir ein Paar sind, das streiten kann.“ Und zwar immer auf Augenhöhe.

Sylvia Vandermeer

Auf der Suche nach (neuen) Wurzeln

Dabei erzählt Frank ganz offen, dass es zu Beginn ihrer Beziehung lange Zeit Sylvia war, die für beide die Entscheidungen getroffen hat. Er, ein Kind der DDR und damals von ihrer Idee überzeugt, war gewissermaßen traumatisiert vom Zusammenbruch des Regimes. Er fühlte sich entwurzelt und fremd. Alle seine Ansprechpartner aus dem Leistungssport, die so lange wie ein Familienersatz waren, gab es so nicht mehr. Sein komplettes Weltbild wurde über Nacht in Frage gestellt, die emotionalen Ankerpunkte und Vorbilder vom Sockel gestoßen.

„Sylvia war nach dem Ende der DDR gewissermaßen meine Rettung. Sie hat für uns beide die Entscheidungen getroffen.“

Ich kenne ehrlich gesagt nicht viele Männer, die das in einem Interview so unumwunden zugeben würden. Sylvias Familie hat im Gegensatz zu Franks eine andere Geschichte. Sie ist geprägt von einem christlichen Elternhaus, von starken Frauen, von der Selbständigkeit der Großeltern. Diese sind es auch, die das junge Paar in ihrer Entscheidung „in den Westen“ zu gehen, unterstützen. Und so wird Sylvia in den ersten Jahren zum Zugpferd, wenn es um Entscheidungen geht. Sie erkennt die Gelegenheiten und nutzt sie mutig.

Von Passau nach Wien in den Burn-out

Mit dem Sprung nach dem beendeten Studium vom eher verschlafenen Passau ins weltoffene Wien eröffnet sich (mal wieder) eine neue Welt für Sylvia und Frank, die sie mit viel Energie und Neugierde aufnehmen. Neben der Karriere an der Universität stellt Sylvia ihre Leidenschaft für die Malerei auf solide Beine. Unter anderem lässt sie sich bei Professor Ernst Fuchs (ja, dem mit dem Käppi) in der Malerei ausbilden.

Sylvia Vandermeer

„Die Malerei hat mich schon mein ganzes Leben begleitet. In Wien hatte ich endlich die Möglichkeit, etwas daraus zu machen.“ sagt Sylvia. Und was sie daraus macht! Innerhalb kurzer Zeit avanciert sie zum neuen Shootingstar der modernen christlichen Malerei, stellt unter anderem mit Lucian Freud aus. Ihre Bilder verkaufen sich prima, vor allem in der eigenen Galerie, die Frank managt. Sie malt, geht auf Vortragsreisen, in Vorlesungen und habilitiert fast schon nebenbei … und malt noch mehr. Denn das Leben in Wien ist aufregend und teuer. Soviel Power und der Druck, zu performen haben ihren Preis und dieser heißt für Sylvia: absolute körperliche und seelische Erschöpfung.

„Mit der Habilitation in der Tasche kam für mich das Gefühl, als zerbräche etwas in mir, als gehe etwas kaputt.“

sagt Sylvia über diese Zeit. Noch in der gleichen Nacht ruft sie im Kloster Heiligenkreuz an, setzt sich ins Auto und meldet sich am nächsten Morgen bei Pater Pirmin für eine Woche Klausur. Am ersten Tag schläft sie fast 24 Stunden durch.

Stille, Exerzitien und endlose gregorianische Gesänge beruhigen Körper, Geist und Seele. Am Ende der Woche ist Sylvia klar, so kann es nicht weitergehen. Wieder wird sie sich neu erfinden. Sie sagt, sie habe im Kloster das erste mal gelernt, Gold von Tand zu unterscheiden.

„Ich möchte am Meer leben und einfach nur malen.“

Das ist Sylvias Vision, so möchte sie in Zukunft leben. Eine Vorstellung, die weit weg ist von Wien, einer internationalen wissenschaftlichen Karriere und einer schicken Eigentumswohnung im richtigen Bezirk. Und dann ist da Frank, was wird er dazu sagen?

Ausschnitt aus einem Werk von Sylvia Vandermeer

Gemeinsam für die Beziehung entschieden

Sie fahren eine Woche nach Ungarn, an den Plattensee, irgendwo in der Pampa. Und reden und reden und reden. Am Ende ist klar, sie werden Wien verlassen, um irgendwo am Meer ganz neu und anders anzufangen. „Wir haben uns in dieser Woche in Ungarn seit langer Zeit wieder richtig gesehen und den anderen mit all seinen Bedürfnissen wahrgenommen. Unsere Beziehung hatte unter dem Leben auf der Überholspur gelitten.“ sagt Frank. In Frage haben sie ihre Ehe jedoch nie gestellt.

Bei einem Urlaub auf Rügen sehen sie sich am Strand tief in die Augen und beschließen, hier in Zukunft leben zu wollen. Einfach so, obwohl auf der Pro und Con Liste Wien 10 positive Punkte hatte und Rügen nur zwei. Sie haben mal wieder aus dem Bauch heraus entschieden: Für Rügen, für ein Leben am Meer und für ihre Beziehung. Sie lassen ihre Karrieren, ihre Eigentumswohnung und ihr beachtliches Netzwerk in Wien zurück und beginnen einen ganz neuen Lebensabschnitt. Weniger Tand, mehr Gold, würde Sylvia es vielleicht ausdrücken. Auf alle Fälle ein ganzes Stück ruhiger und bescheidener.

Kreatives Paar: Sylvia malt und Frank schreibt

Kann ein Leben als kreatives Paar auf einer Ostseeinsel funktionieren? Wird es so werden, wie sie es sich vorgestellt haben? Was Sylvia Vandermeer in Wien schon so erfolgreich begonnen hat, setzt sie auf Rügen weiter fort: Sie malt Bilder mit christlichen Motiven. Und zwar, wie ich finde sehr unerwartet und modern. Sie zählt in der Zwischenzeit zu den anerkanntesten christlichen Künstlerinnen im europäischen Raum mit Ausstellungen auf der ganzen Welt. Ihre Motivwahl zeigt ihre ganz persönliche Auseinandersetzung mit ihrem Glauben. Ein Glaube, der ihr das Gottvertrauen gegeben hat, so manche Entscheidung mit der Hoffnung auf einen guten Ausgang zu treffen.

Frank hat seinen Job als stellvertretender Tourismusdirektor von Baabe, mit dem er in den ersten Jahren nach dem Wegzug aus Wien für ein festes Einkommen sorgte,  in der Zwischenzeit ebenfalls aufgegeben und widmet sich ausschließlich dem Schreiben. Zuerst ein Reiseführer, dann der zeitgeschichtliche Roman „Die Welpen“ über den Zusammenbruch der DDR. Seine Fragestellung darin lautet: Welche Strategien haben Menschen, um mit Veränderungen umzugehen? Ein hochaktuelles Thema, wie ich finde. Bei der Lesung aus dem Skript rührt mich einer der Texte zu Tränen.

Sein neustes Projekt ist eine Reihe von Rügenkrimis mit Avid Dalin als Kommisar. Ich warte ehrlich gesagt schon gespannt auf die Veröffentlichungen. Denn wenn der Mann so spannend und mitreißend schreibt, wie er erzählt, werden das ohne Zweifel Bestseller.

„Als großer Cineast habe ich zuerst Drehbücher verfasst, allerdings hängt da ein zu großes Team dran. Trotzdem wäre es mein Traum, wenn einer meiner Romane einmal verfilmt werden würde.“

Stoff für mehr als einen Roman

Würden die beiden ihr Leben in einen Roman packen, hätte dieser mehr als einen Band, soviel ist klar. Ich bewundere ihren Mut und ein bisschen auch dieses Gottvertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Sylvia Vandermeer meint, sie habe im Leben erst lernen müssen, auch einfach nur etwas anzunehmen. Das sei eine Kunst. Wie recht sie doch hat.

Und Frank erzählt, sie werden manchmal gefragt, wie sie sich eigentlich die Freiheit nehmen könnten, ihr Leben so zu leben, wie sie es tun.


„Wenn Du erlebst, wie ein ganzes Land über Nacht einfach wegbricht, weißt Du, dass es die Sicherheit nicht gibt. Aber in der Unsicherheit findest Du die Freiheit, das Risiko zu leben.“


Gänsehaut pur.

Worauf sind sie besonders stolz? lautet meine letzte Frage.

„Wir sind stolz darauf, auch nach 30 Jahren noch ein Paar zu sein, das miteinander redet und sich auf Augenhöhe begegnet.“

Sylvia Vandermeer, geboren 1968 in Zeitz, studierte Betriebswirtschaftslehre, Biologie, Psychologie und Bildende Kunst in Passau und Wien. Sie promovierte 1998 und habilitierte sich im Jahr 2007 an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo sie von 1998 bis 2009 als Dozentin zum Mitarbeiterstab des Europainstituts gehörte. Bekannt wurde sie durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zum interkulturellen Management. Sie ist heute freiberuflich als Schriftstellerin und Malerin tätig und lebt auf der Insel Rügen und in Wien.

Mehr zu Sylvia Vandermeer und ihrer Kunst gibt es auf ihrer Homepage

Frank Meierewert, 1967 in Brandenburg geboren, studierte an der Wiener Filmschule Drehbuch und Ethnologie und Psychologie an der Universität Wien. 2006 promovierte er. Er leitete internationale Ressorts bei den Reiseunternehmen TUI und Columbus. 2008 wechselte er ins Kulturmanagement auf der Insel Rügen. Er kennt Land und Leute und regionale Besonderheiten. Seit 2012 verfasst er Reiseführer und Kinderliteratur, ab 2016 ist er als Krimiautor und Romanschriftsteller tätig. Er kocht gern, liebt das tanzen und Rockmusik ist seine Leidenschaft.

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