Erfahrungen machen uns zu dem, was wir sind

Mrz 20, 2017

Ein liebevoller Blick zurück
macht das Leben leichter

Ein liebevoller Blick zurück
macht das Leben leichter

In meinem Küchenschrank findet sich ein Sammelsurium an Kaffeehaferln. Die neuesten Errungenschaften stehen ganz vorne, deshalb gerät so manch älteres Exemplar in der zweiten und dritten Reihe in Vergessenheit. Das ist schade, steht doch jede Tasse für eine meiner Lebensphasen und Erfahrungen in der Vergangenheit. An manche erinnere ich mich gerne zurück, an andere weniger.

Die Betrachtung dieser bunt zusammengewürfelten Memorabilien hat mich zum Nachdenken gebracht. Wie halte ich es denn mit der Vergangenheit? Sollte ich nicht die ein oder andere Tasse und die damit verbundenen Erinnerungen und Erfahrungen in den Müll werfen? Etwa die Tasse vom Käfer, die ich auf der Wiesn gekauft habe. Damals war ich in einer Beziehung mit einem Mann, der mich fast kaputt gemacht hätte. Die Trennung war eine Szene aus einem Psychothriller und der gefühlte Tiefpunkt meines Selbstwertgefühls. In James Bond Manier bin ich dem Auto des Untreuen damals gefolgt. Nachdem ich über eine Mauer geklettert war und sturmgeläutet hatte, kam es vor der Wohnung der Rivalin zum Show Down. Krass. Ich habe Gänsehaut und einen flauen Magen, wenn ich nur daran denke. Es hat Monate gedauert bis ich verstanden hatte, was da abgelaufen war. Und noch ein paar weitere Monate, bis ich wieder ganz ich selbst war.

Erfahrungen formen unsere Persönlichkeit

Also raus mit der Tasse und den unangenehmen Erinnerungen auf Nimmerwiedersehen? NEIN! Ganz bestimmt nicht. Alle diese Erfahrungen gehören zu mir. Sie sind ein Teil meiner Geschichte und haben meine Persönlichkeit geformt und weiterentwickelt. Nichts davon möchte ich missen, auch wenn es damals nicht lustig war. Ich kann mich heute an die emotionalen Tiefschläge erinnern, ohne mich zu verlieren oder an mir zu zweifeln. Sie zeigen mir, welche Entwicklung ich seither gemacht habe. Das fühlt sich gut an.

Ich denke, ich bin ein Steh-auf-Weibchen. Es gelingt mir am Ende immer, das Positive zu sehen, auch wenn alles um mich herum negativ wirkt. Eine Niederlage tut verdammt weh, wenn ich mich aber in diesem Schmerz, in diesem Scheitern suhle, habe ich tatsächlich verloren. “Vom Jammern ist noch nie etwas besser geworden!” war ein Spruch meiner Oma. Klingt erst einmal ziemlich hart, aber nach einer Runde Selbstmitleid erinnere ich mich nach jedem Scheitern wieder daran.

In der ARD Mediathek gibt es zum Thema Scheitern einen interessanten Beitrag.

Das Scheitern als Chance zu erkennen und neue Kraft daraus zu ziehen ist ein Teil von Resilienz.

„Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘) oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen …

Das Gegenteil von Resilienz ist Verwundbarkeit (Vulnerabilität).“

Mit dem Alter gelassener werden und Erfahrungen neu bewerten

Macht uns das Älterwerden resilienter, weil wir mehr Erfahrungen haben, aus denen wir schöpfen können? Keine Ahnung. Auf alle Fälle bin ich in vielen Bereichen des Lebens heute gelassener, als ich es noch vor einigen Jahren war. Auch wenn ich manchmal hochgehe wie ein Vulkan, am Ende des Tages weiß ich, dass alles gut wird. Meine Perspektive ist langfristiger geworden und ich akzeptiere, dass Wandel zum Leben dazugehört. Ich kann mich an meinen erlebten Erfolgen entlanghangeln, wenn ein Misserfolg mich bedrückt. Außerdem nehme ich mir die Zeit für mich und achte mehr auf meine Bedürfnisse. Ich verlange von mir nicht mehr, auf alles sofort eine Antwort zu wissen. Emotionale Vampire habe ich konsequent aus meinem Leben verbannt. Und ich lasse mich auch nicht mehr zum Opfer machen. Der Typ von damals hätte heute keine Chance mehr, weil ich meinen Wert kenne.

Meistens gelingt mir das alles. Und wenn nicht? Nehm ich meine Kamera und geh raus. Dann lenke ich mich mit neuen Projekten ab, bis der Sturm in meiner Seele sich wieder gelegt hat. Mein Mann kennt das schon …

Also, Du Tasse vom Käfer. Schön, dass Du in meinem Schrank stehst. Ohne Dich stände ich heute nicht da, wo ich bin. Und da gefällt es mir momentan sehr gut. Beim Kramen habe ich auch meine Lieblingstasse wiederentdeckt. Gekauft vor knapp dreißig Jahren auf einem Flohmarkt in London zusammen mit meinem Buddy Stuart

Nothing good is got by worry

 

Nothing good is got by worry

Wie recht die Tasse doch hat! Meine Geschichte mit Horror Show Down hat eine gute Wendung genommen. Denn ohne diese schreckliche Erfahrung hätte ich mich nicht endlich mit meinen Beziehungsmustern beschäftigt, ohne sie hätte ich meinen Mann nicht kennengelernt. Und ohne sie wäre ich garantiert nicht so glücklich, wie ich heute bin. Und der Typ von damals? Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …

Schreib mir, was auf Deiner Lieblingstasse steht? Und was Du damit verbindest. Welche Erfahrung hast Du gemacht. Ich bin gespannt.

Deine Martina

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