Nach den atemberaubenden Eindrücken der Namib Wüste fahren wir einen ganzen Tag lang weiter Richtung Atlantikküste und Swakopmund. Dort tauschen wir die Einsamkeit und Weite der Wüste mit so etwas wie städtischem Leben in Namibia. Ein Trip in die Vergangenheit wartet auf uns, der bei mir nicht nur positive Gefühle hinterlassen wird …
Unsere Route führt erst einmal weiter durch den Namib-Naukluft-National Park. Mit knapp 50.000 Quadratkilometern hat dieses Schutzgebiet mehr Fläche als die Schweiz. Er ist der größte Nationalpark Afrikas.
Die Landschaft ist extrem karg und zerklüftet. Die Hitze flimmert über der ausgetrockneten Savanne. Das Außenthermometer steigt auf über 40 Grad Celsius. Am Horizont zeichnen sich schemenhaft Bewegungen ab. Als wir näher kommen erkennen wir eine Herde Zebras. Nur ein paar Fahrtminuten weiter treffen wir auf eine große Herde Oryx, die sich an einer künstlichen Wasserstelle versammelt hat.
Apfelkuchen im Niemandsland
Die Gegend ist so unwirtlich, dass wir nicht schlecht staunen, als mitten im Nichts ein kleiner Ort auftaucht. Solitaire. Der „Ort“ besteht nur aus einer Tankstelle, einem Laden, einer Kapelle und einer Bäckerei mit angegliedertem Cafe. Eine Lodge und ein Zeltplatz komplettieren Solitaire. In Moose McGregor’s Desert Bakery gibt es einen legendären Apfelkuchen. Angeblich ist es der beste in ganz Namibia. Den werden wir selbstverständlich probieren. Die Bewohner von Solitaire scheinen einen kuriosen Humor sowie einen Hang für Autowracks zu haben. Die stehen hier überall rum.
Der Apfelkuchen schmeckt köstlich, über die paar Krümel, die wir übrig lassen machen sich sofort lustige kleine gelbe Vögel in der Größe von Spatzen her. Für uns geht es noch ein paar Stunden weiter auf der Schotterpiste Richtung Swakopmund. Nach einem weiteren Zwischenstopp in einer mondähnlichen Landschaft (hier könnte man ohne Probleme eine Szene aus Star Wars drehen)
nähern wir uns der alten Kolonialstadt über eine Salzpiste. Gott sei Dank ist das Wetter gut. Denn bei Regen wird diese Fahrbahn zu einer seifigen Rutschpartie. Ich bin gespannt, wie eine Stadt aussieht, die Ende des 19. Jahrhunderts von deutschen Siedlern mitten in Afrika gegründet wurde. Mir fällt auf, dass sich draußen das Licht und die Farben ändern. Alles ist etwas diesiger, die Farbschattierungen gedämpft. Wir nähern uns dem Atlantik und das merkt man.
Die ersten Häuser kommen in Sicht, ein Sportplatz, ein altes Hotel (angeblich haben Bratt Pitt und Angelina Jolie das mal komplett gemietet). Wir fahren weiter in die Stadt hinein, viele deutschsprachige Schilder kommen in Sicht, Häuser im Stil der Jahrhundertwende. Unsere Fahrt endet am Meer mit einer grandiosen Aussicht über die Bucht.
Die Schatten der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia
Der Himmel ist diesig, das Klima feucht-warm und eher unangenehm nach der trockenen Hitze der Wüste.
Für die nächsten zwei Nächte sind wir im Swakopmund Guesthouse (www.swakopmundguesthouse.com) untergebracht. Alles sehr sauber und ordentlich. Sehr deutsch. Im Radio wird deutschsprachig moderiert und die Playlist kommt mir sehr bekannt vor. Auf der Straße vor dem Haus steht ein Wachmann. Zum ersten Mal auf dieser Reise fühle ich mich unwohl. Nicht weil ich Angst habe. Aber irgendetwas fühlt sich hier nicht richtig an. Irgendetwas ist verrutscht. Noch weiß ich nicht was. Im Laufe der nächsten zwei Tage wird es mir klarer werden.
Aber erst einmal steht ein Bummel durch den Ort und ein Abendessen im „The Tug“ an. Das Restaurant ist aus einem alten Schlepper gebaut worden, der direkt an den Landungssteg geschmiegt ist. Eine merkwürdige Konstruktion, die von der Kreativität des Besitzers Danie Holloway zeugt. Diese Location habe ich mir vorab schon auf TripAdvisor angesehen. Wir reservieren telefonisch einen Tisch und machen uns auf zu unserem Spaziergang.
Busladungen Ewig-Gestriger auf der Suche nach vergangener Größe
Das unangenehme Gefühl will nicht verschwinden – im Gegenteil. Langsam wird es mir klar: ich bin hier in einer piefiken deutschen Kleinstadt, in der Busladungen Ewig-Gestriger auf den Spuren längst vergangener deutscher Kolonialträume wandeln. Wir landen in einem Laden mit nationalistischen Devotionalien, die von der Idee der Überlegenheit der weißen Kolonialisten zeugen. Ich will hier weg!!! Das Fotografieren ist mir vergangen. Deshalb hier keine Bilder – sorry.
Wir flüchten uns ins Tug und trinken uns das alles auf der verglasten Terrasse erst einmal schön. Klappt. Immer. Unser Tisch ist fertig und ein schwarz befrackter Kellner führt uns in die Kanzel des umgebauten Schiffs. Die Speisekarte ist umfangreich. Wir entscheiden uns für Muscheln und Kingklip, der hier im Atlantik gefangen wird. Die Portionen sind riesig, wir können nicht aufessen. Leider ist alles in fettigen Soßen ertränkt. Fazit: „The Tug“ (www.the-tug.com) ist ein witzig gemachtes Touristenlokal. Mehr nicht.
Zurück im Guesthouse schlafen wir etwas unruhig. Es ist schwül, keine Klimaanlage im Zimmer. Gott sei Dank haben wir zwei Fenster und können Kreuzlüften. Das Frühstück am nächsten Morgen ist eine kleine Entschädigung, denn es gibt Vollkornbrot und Nutella. Wir sind gut gestärkt für die heutigen Progammpunkte. Am Vormittag werden wir eine Katamarantour in Walvisbay machen, am Nachmittag besuchen wir das örtliche Township. Kontrastprogramm also.
Walvisbay – ein halbes Dutzend Austern und bekiffte Robben
Walvisbay liegt etwa eine halbe Autostunde südlich von Swakopmund und ist ein großer Hafen mit fischverarbeitender Industrie. In der Bucht werden Austern gezüchtet, die wir an Bord des Katamarans zusammen mit Champagner gereicht bekommen. Ich mag grundsätzlich keine Austern, aber Thomas schmecken sie sehr gut. Das Fleisch ist fester als gewohnt und schmackhaft. Wir starten unseren Trip mit zwei anderen Pärchen. Der Kapitän ist ein Südafrikaner von beeindruckender Statur. Wenn er nicht gerade Touristen durch die Bay schippert fliegt er sie mit einem seiner Flugzeuge von Lodge zu Lodge.
Ein zahmer Pelikan und eine Robbe besuchen uns an Bord und wollen gefüttert werden. Wir fahren hinaus vorbei an den Austernbänken und halten Ausschau nach Delfinen. Fehlanzeige. Wahrscheinlich ist es nicht die richtige Jahreszeit. Je näher wir der Landzunge mit der riesigen Robbenkolonie kommen, desto mehr steigt uns ein beißender Geruch in die Nase. Puh! Trotz des Gestanks bin ich hin und weg über dieses Durcheinander ziemlich faul umherliegender Tiere. Die Jungen balgen sich und ärgern ihre Eltern. Wenn es nicht Robben wären, würde ich sagen hier döst eine bekiffte Hippie-Kommune.
Die Möve Jonathan kommt an Bord, um die letzten Fische für sich zu beanspruchen. Er würgt vier (!) davon runter. Jetzt ist sein Bauch so voll, dass er kaum noch fliegen kann. Gier scheint keine rein menschliche Eigenschaft zu sein. Nach drei Stunden Katamaranfahrt in der nebligen Bucht vorbei an dem ein oder anderen Schiffsskelett landen wir wieder im Hafen von Walvisbay.
Mondesa – Frauenpower im Township
Wir fahren zurück nach Swakopmund. Eine kleine Verschnaufpause vor unserer Tour in das Township tut uns gut. Beim Planen der Reise habe ich lange überlegt, ob wir überhaupt ein Township besuchen sollen. Am Ende habe ich mich dafür entschieden. Wir kratzen für ein paar Stunden mit dem Fingernagel die schicke Schicht aus Luxus und atemberaubender Natur auf dieser Reise weg und sehen so etwas wie Schattenrisse des Alltags der schwarzen Einheimischen. Vielleicht ist es heuchlerisch für ein paar Stunden die gestylte Umgebung gegen staubige Hütten einzutauschen und bestürzt zu schauen. Auf der anderen Seite sind wir für die Bewohner des Townships natürlich auch eine Einnahmequelle. Whatever. Die Tour ist gebucht.
Ein freundlich grinsender Tour-Guide holt uns mit seinem eigenen Auto ab, ohne Klimaanlage dafür mit quietschenden Bremsen. Mondesa entstand wie andere Townships in Südafrika und Namibia während der Apartheid in den 50er Jahren. Auch nach dem Ende der Apartheid leben hier nach wie vor ca. 20.000 der schwarzen Einwohner Swakopmunds. Für die einfachen Häuser gibt es günstige Kredite. Trotzdem ist es für eine Verkäuferin oder eine Kassiererin nicht möglich, eine Unterkunft in der „besseren“ Wohngegend Mondesas zu finanzieren. Deshalb bleiben also nur die selbstgezimmerten Hütten mit Gemeinschaftstoiletten. Spätestens hier werde ich demütig.
Die Würde und Fröhlichkeit der Bewohner ist beeindruckend
Wir besuchen mehrere Hütten, immer sind es die Frauen, die uns begrüßen und mit ihren „Darbietungen“ zum Familieneinkommen beitragen. Von der Kindertagesstätte, über die Kräuterheilerin bis zur Garküche und einer Teezeremonie bekommen wir einiges zu sehen. Meine Frage, ob ich fotografieren darf wird immer freundlich mit ja beantwortet. Der staubige Boden, die teilweise verdreckte Kleidung und die hygienischen Verhältnisse sind für mich schockierend und stehen im krassen Kontrast zur Freundlichkeit unserer Gastgeber und der Fröhlichkeit der Kinder.
Nach gut drei Stunden endet unsere Tour mit einem kühlen Bier in einer Township Kneipe. Ach hier sind die Männer also … Es wird viel gelacht und wir kaufen ein paar obligatorische Mitbringsel.
Mein Fazit unseres Ausflugs in eine andere Welt: Dreißig Jahre Unabhängigkeit in Namibia können die tiefen Spuren, die die Kolonialherrschaft und später die Apartheid in die Seelen dieser Menschen gepflügt haben nicht heilen. Auch wenn niemand verhungern muss, die Lebenssituation mancher Bewohner Mondesas ist eindeutig prekär. Auch hier ist Bildung der einzige Weg aus der Armut und der Ungerechtigkeit. Beeindruckend ist die Lebensfreude der Bewohner Mondesas. Sie ist ansteckend und definitiv keine Show für die zahlenden Touristen. Da kann man sich das ein oder andere Mal eine Scheibe davon abschneiden. Sie sind stolz auf ihr Land und zeigen es: die Form der Hand ähnelt der Form Namibias.
Versöhnliches Ende eines zwiespältigen Tages
Zurück in unserer Welt endet der Tag mit einem Dinner im Ocean Cellar (www.ocean-cellar.com), einem Seafood Restaurant im neuen Strandhotel an der Mole. Nach dem eher mauen Essen am Abend vorher ist es hier wirklich hervorragend. Alles ist wunderbar frisch, die Bedienung freundlich und flott. Das Ambiente ist richtig schick. Diese Location ist eine angenehme Überraschung. Wir essen zusammen mit Götz, unserem Driver-Guide und seiner Frau Hedi. Sie wohnen hier in Swakopmund und erzählen uns viel über die Veränderungen der letzten Jahrzehnte in Namibia. Ein gelungener Abend und ein schöner Ausklang eines für mich zwiespältigen Aufenthalts in Swakopmund.
Der nächste Teil der Reise durch Namibia wird uns unter anderem ins Damaraland, zu den Himba und in die Ethosha-Pfanne führen. Ich bin gespannt … Wenn Du wissen möchtest, wie es weitergeht, dann lies auch Teil 3 meines Reiseberichts.
Unsere Reise wurde geplant von Africa Royal Tours (www.africa-royal-tours.de).
Hallo Martina
Ein ganz, ganz toller Bericht (beide!) und superschöne Photos!
Darf ich Dich fragen, mit welchen Objektiven Du photographiert hast?
Vorallem die Tiere? 😉
LG
Iris
Liebe Iris,
an Fotomotiven hat es auf dieser Reise wirklich nicht gemangelt! Ich fotografiere mit einer Nikon D750 und den passenden Objektiven. Die meisten Tierbilder sind mit dem Teleobjektiv entstanden. In diesem Fall mit einem AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8 GII ED. Ansonsten hat mich noch ein Nikkor 24 – 70 mm (für die Landschaftsbilder) und eine 85 mm und 50 mm Festbrennweite begleitet. Sollte ich jemals nochmal auf Safari gehen, würde ich mir wahrscheinlich ein 300 mm Tele ausleihen, um noch näher ranzukommen. Allerdings ist die Schlepperei nicht zu unterschätzen …
Es freut mich, wenn Dir die Reiseberichte und die Bilder gefallen! Den Südafrika Teil der Reise habe ich noch gar nicht verblogt, der folgt demnächst.
Sonnige Grüße
Martina