Ich war neulich tatsächlich alleine im Kino. Ein kleines Abenteuer, zu dem ich Euch gerne mitnehme …
Das kam so: Es ist früher Nachmittag, vor mir flimmert der Text für einen Blogpost auf dem Bildschirm und ich bin allein zu Hause. Mein Mann ist geschäftlich unterwegs. Und weil ich keine Lust habe, an diesem Abend vor dem Fernseher zu sitzen, überlege ich, endlich einmal wieder ins Kino zu gehen. Und zwar ganz allein. Huhu, ganz schön wild …
… allein ins Kino gehen? fragt meine Innere Stimme, ist das nicht ein bisschen langweilig? Nein, warum? Dann kann ich mich ganz auf den Film konzentrieren und niemand flüstert mir nervige Kommentare ins Ohr.
… aber welchen Film möchtest Du denn ansehen? Keine Ahnung, die Traumfabrik in Hollywood produziert doch ständig neuen Stoff.
… willst Du wirklich 30 Kilometer in die Stadt fahren, nur um einen Film anzusehen? Bei Netflixlaufen doch auch gute Filme. Es gibt ein neues Kino in der Nähe, da schau ich jetzt ins Programm.
14.54 Uhr
Noch bin ich wild entschlossen. Denn ich finde die Idee, alleine ins Kino zu gehen geradezu verwegen …
Der Blick in die Programmliste des örtlichen Kinos macht mich allerdings ein wenig ratlos. Eine französische Geschlechterkomödie mit Gerard Depardieu? Ich dachte der ist in Russland jetzt Berater des Kremls …
… dann wären da noch
– ein Film über Mutanten mit überirdischen Kräften? Echt jetzt?
– eine Teeniekomödie über das schönste Mädchen der Welt. Da bin ich definitiv rausgewachsen.
– ein humorvoller Film Noir Thriller. Seit wann ist Film Noir humorvoll? Was habe ich in den letzten Jahren alles verpasst?
– Mehr interessiert mich schon der Film mit Lady Gaga und Bradley Cooper, aber – Mist! – der läuft heute nicht.
15.14 Uhr
Puh, gar nicht so einfach, sich zu entscheiden. Am Ende bin ich wild und wähle einen Film mit deutlicher Überlänge. Dann lohnt es sich der ganze Aufwand wenigstens wirklich:
WERK OHNE AUTOR von Florian Henckel von Donnersmarck (was für ein Name).
Ich komme mir ziemlich intellektuell vor bei der Wahl des heutigen Abendprogramms. Immerhin wurde hier die Lebensgeschichte von Gerhard Richter, einem der bekanntesten deutschen Maler der Nachkriegszeit auf Zelluloid gebannt. Gesagt, getan. Ich bestelle und bezahle die Kinokarte über das Internet.
17.43 Uhr
Meine Innere Stimme meldet sich wieder. Möchtest Du Dich nicht umziehen? Warum denn? Ich gehe doch nur ins Kino, ich gehe ALLEIN ins Kino. Warum soll ich mich aufbrezeln? Am Ende setzt sich noch jemand neben mich!!!
19.13 Uhr
Auf dem Weg zum Kino. Natürlich habe ich mich umgezogen, ich könnte ja jemandem begegnen, den ich kenne. Sogar meine Haare habe ich noch gewaschen. Sonst denkt noch jemand, ich wäre verlottert.
19.35 Uhr
Vor dem Kino komme ich mir ein bisschen bedauerlich vor. Wer geht schon allein ins Kino, das ist fast so wie alleine an der Bar zu sitzen. Armes Mädchen, sagt meine Innere Stimme. Spinnst Du, sage ich zurück.
Bilde ich es mir ein, oder sieht mich der Typ hinter der Kasse mit mitleidigem Blick an? „Nur eine Karte?“ „Ja, nur EINE Karte!“
Die Leute denken bestimmt, Du hast keine Freunde und jetzt musst Du allein ins Kino gehen.Wer denkt denn so was, außer Dir selbst! Meine Innere Stimme wird langsam ein bisschen schrullig.
19.40 Uhr
Ich stehe vor schwierigen Entscheidungen. Süßes oder salziges Popcorn? Gummibärchen? Nachos mit Chemiekäse? Dazu ein Bier oder lieber Weißwein? Nein halt, Fanta aus der Retroflasche … Gleich fängt der Film an und ich kann mich nicht entscheiden. Am Ende wird es süßes Popcorn und ein Weißwein, was sich geschmackstechnisch als schwierige Kombination herausstellt.
19.45 Uhr
Im Saal wird es dunkel und ich bin froh, keine Platznachbarn zu haben. Überhaupt scheint der Film sich nicht gerade großer Beliebtheit zu erfreuen. Vielleicht hätte ich vorher doch die Kritiken lesen sollen? Egal, jetzt sitze ich hier.
Der Werbeblock dauert eine gefühlte Ewigkeit und ich glaube einen Klassenkameraden aus der Grundschule bei der örtlichen Sparkassenwerbung zu erkennen.
Endlich geht der Film los und ich mache es mir für die nächsten drei Stunden in meinem roten Samtsessel bequem.
23.05 Uhr
Ich bin erstaunt, als der Abspann über die Leinwand rollt. Wie, was, schon vorbei? Ich bin tatsächlich drei Stunden im Kino gesessen? Und Du musstest nicht einmal zwischendrin auf die Toilette. Ich hatte nur ein Glas Weißwein! Also bitte …
Mir hat der Film gefallen, er hat mich berührt. “Sieh niemals weg” ist der Untertitel. Leider eine sehr aktuelle Botschaft …
Ich komme mir ein bisschen verloren vor, als ich so alleine aus dem Kino zu meinem Auto gehe. Niemand da, mit dem ich mich jetzt austauschen kann.
23.35 Uhr
Ich bin müde, normalerweise liege ich um diese Zeit schon im Bett. Meine Diskussion fällt ziemlich einseitig aus, logisch, denn mein Mann ist ja nicht da. Ich checke die Kritiken im Internet und stelle fest, dass mir offenbar ein Film gefällt, der von der Kritik zerrissen wurde. Jetzt zweifle ich auch noch an meinem Geschmack und meinem Filmverstand. Wenn man mal jemand braucht, mit dem man reden kann, ist keiner da …
Mein Fazit
Und hat es sich gelohnt, allein ins Kino zu gehen? Ja, hat es. Schon allein deshalb, um einmal wieder mit meiner Inneren Stimme Zwiesprache zu halten. Ich gebe aber zu, manche Dinge machen zu zweit einfach mehr Spaß. Und in Zukunft teile ich mein Popcorn gerne wieder und lasse mir Kommentare ins Ohr flüstern. Ab uns zu ganz alleine etwas auszuprobieren, hat jedoch einen gewissen Reiz.
Wer weiß, vielleicht gehe ich ja demnächst mal ganz alleine zum Essen. Bei Garance Doré habe ich neulich einen Post über Emily Schildt entdeckt, die einmal in der Woche eine Solo Date Night mit sich selbst hat und alleine ein Menü in einem schönen Restaurant isst. Ein interessantes Konzept. Was meine Innere Stimme wohl dazu zu sagen hätte …
Herzliche Grüße
Eure Martina
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Hallo Martina
ich gehe mindestens 3mal im Jahr alleine ins Kino. Wir haben in 8km Entfernung ein kleines Kino und es ist herrlich. Oft sind nur 5 bis 10 Leute drinnen. Popcorn und Sportgummi gibt es auch. Kino ist Kino – die große Leinwand und das drumherum. Da kann kein Fernseher mit. Manche Filme mag ich alleine sehen ohne darüber zu reden was, wie, wer. Ja, ich mag das. Ob ich allerdings 30km fahren würde? Da wäre ich wahrscheinlich zu faul. Liebe Grüße Gabi
Liebe Gabi,
es war eine besondere Erfahrung, aber ich hätte schon gerne über diesen Film geredet. Vielleicht muss ich mir das nächste Mal genauer aussuchen, welchen Film ich allein ansehe. Das Kino in dem ich war, ist Gott sei Dank nicht so weit weg. Und ich gebe Dir recht – Kino ist und bleibt Kino!
Liebe Grüße
Martina
Liebe Martina,
toller Artikel und mit einer sehr beeindrucken Botschaft dahinter.
Also…alleine ins Kino zu gehen ist für mich nicht bedauerlich. Auch nicht komisch oder traurig wo manche Kollegen von mir behaupteten. Man geht ins Pinakothek, Bibliothek oder auf eine Ausstellung manchmal auch alleine oder??
Es war damals für mich (als Mama eines Kleinkindes) einzige Lösung gewesen aktuelle Filme anzuschauen). Bin meistens unter der Woche hingegangen (ohne mich hübsch zu machen 😉 ), nachdem ich mein Kind ins Bett gebracht hatte. Ich kaufte immer 2 Tickets und habe mich ganz außen hingesetzt, damit sich neben mir niemand hinsetzen konnte – so habe ich mich ungestört gefühlt. Hab solche Abende als ‘Date mit mir selbst’ genannt – natürlich keiner konnte mich nicht verstehen.
Hab manche Filme sogar 2x angeschaut (sowie zB. ‚Die purpurnen Flüsse‘ oder ‚Schindlers Liste‘), weil ich sie beim ersten Mal nicht verstanden hatte – damals 😉
Und Du hast recht: alleine etwas anzuprobieren hat einen gewissen Reiz.
Bin gespannt was Du über den Restaurantbesuch schreiben wirst 🙂
Ganz viele liebe Grüße von mir
Zeli
Liebe Zelt,
ich fand es auch nicht traurig, aber Du weißt ja, manchmal ist die Inneres Stimme etwas wunderlich. So ein “Date mit einem selbst” ist glaube ich eine gute Möglichkeit, sich regelmäßig mit ihr auseinanderzusetzen. Allein ins Restaurant, wow, das ist mal eine Nummer. Im Kino ist es immerhin dunkel …
Liebste Grüße
Martina
Also … alleine im Restaurant essen ist für mich ein No-Go. Alleine Kino: wunderbar! Hab ich früher total oft gemacht, als ich noch in München gewohnt habe – weil so selten jemand die Originalversion sehen wollte zum Beispiel. Aber ich bin auch mehrfach alleine in Urlaub gefahren, weil außer mir keiner meiner Freunde ins angeblich regnerische Schottland wollte … Hat so was von “Pah! Ich kann das auch alleine!” und hat sich richtig gut angefühlt 🙂
Jedenfalls: Jetzt habe ich Familie und wohne relativ weit draußen, wo so gut wie nie die Originalversion im Kino läuft. Mein Mann mag Kino nicht besonders, also fahre ich ab und zu nach München und gehe gemeinsam mit einer Freundin, das sind immer echte Highlights.
Liebe Grüße
Simone
Liebe Simone,
das ist eine schöne Geschichte! Ich mag die Origninalversionen auch total gerne. Ist es nicht manchmal befreiend, genau das zu machen, worauf man Lust hat, auch wenn das Umfeld nicht mitzieht? Empowerment 😉 Ein Gefühl, das man gut speichern kann, für Momente in denen alle an einem zerren … in verschiedene Richtungen natürlich. Und Mädelsabende haben für mich in der letzten Zeit ganz neue Erfahrungen gebracht. Einfach schön!
Liebe Grüße
Martina